Japanische Mythologie und Religion: Teil III - Die Symbolik japanischer Mythen an einem Beispiel und ihr Vorkommen in japanischen Unterhaltungsmedien

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Japanische Mythologie und Religion: Teil III - Die Symbolik japanischer Mythen an einem Beispiel und ihr Vorkommen in japanischen Unterhaltungsmedien

posted on by helios
Dieser Blog soll sich mit der Religion Japans auseinandersetzen. Im dritten Teil soll es um die Symbolik in japanischen Mythen und deren auftreten in Medien, wie dem Anime gehen. Denn wer die Mythen richtig verstehen will, muss auch deren Symbolik und Tragweite erfassen können

Die Symbolik japansicher Mythen an einem Beispiel und ihr Vorkommen in japanischen Medien.
So manche Geschichte aus der japanischen Mythologie kann einem geradezu befremdlich vorkommen. Der ein oder andere denkt sich vielleicht: „Oh! My Goddess! Was haben die sich nur gedacht?“ Genau diese Frage kann ich nicht beantworten, aber ich möchte anhand eines Beispiels zeigen, was sich einige Forscher dazu denken.

Viele Forscher gehen davon aus, dass Mythen vor allem eines sollen: Die Begebenheiten auf der Welt erklären. Meistens ist das Muster dabei das folgende: Weil jemand vor ganz langer Zeit (nämlich in der Vorzeit) etwas gemacht hat, ist das heute auch noch so. Wer will bekommt ein tolles Beispiel dafür aus Afrika:
Der Mond beauftragt einen Käfer den Menschen zu sagen, dass die Menschen, genau wie der Mond, sterben und wieder auferstehen sollen. Der Käfer macht sich also auf den Weg und begegnet einem Hasen, der ihn fragt: „Hey was machst du?“ Der Käfer sagt, dass er geschickt wurde, um den Menschen zu sagen, dass sie wie der Mond sterben und wieder auferstehen sollen. Da sagt der Hase: „Hey ich mach das, ich kann ja viel schneller laufen als du.“ Als der Hase bei den Menschen ankommt, sagt er ihnen: „Ich soll euch sagen, dass ihr wie der Mond sterben und für immer tot bleiben sollt.“ Als der Hase und der Mond sich später begegnen, ist der Mond sauer auf den Hasen, weil er die Nachricht falsch überbracht hat. Deswegen haut er dem Hasen mit einem Stock auf die Nase. Der Hase rächt sich und zerkratzt den Mond.
Diese Geschichte erklärt, wieso Menschen sterblich sind, wieso Hasen eine gespaltene Nase haben und der Mond so vernarbt aussieht. Solche Mythen, die erklären wie etwas zum ersten Mal passiert ist, nennt man ätiologisch.


Andererseits stecken Mythen aber auch voller Symbolik, die heute nur noch schwer zu verstehen ist.
Mal durchexerziert an einem berühmten Beispiel aus der japanischen Mythologie: Der Totenweltbesuch des Izanagi.
Izanagi will also seine tote Frau in der Totenwelt, dem Land der Finsternis (yomi nu kuni) besuchen. Als er sie trifft kann sie eigentlich schon nicht mehr ins Diesseits zurück, will sich aber noch mit Göttern des Landes darüber unterhalten. Izanagi darf nicht gucken! Tut er aber… Izanami, die auf einmal schrecklich entstellt ist, ist sauer und verfolgt ihren fliehenden Mann bis an die Grenze der Totenwelt, die der starke Izanagi mit einem riesigen Stein blockiert. Izanami schwört aus Rache jeden Tag Menschen zu töten. Iznagi schwört dagegen, dass er für die Geburt von mehr Menschen als sie tötet sorgen wird.

Dieser Mythos erklärt eine Menge Sachen: Wieso ist die Totenwelt vom diesseits getrennt? Weil Izanami da einen riesen Stein hingestellt hat! Wieso sterben die Menschen? Weil Izanami sich an ihnen recht! Wieso werden die Menschen nicht weniger? Weil Izanagi dafür sorgt, dass mehr geboren werden als sterben!
Wie gesagt sehen viele Forscher in solchen Erklärungen den Sinn eines Mythos. Weniger einig ist man sich beim deuten der Symbolik. Es gibt Menschen, die solche Mythen gerne wörtlich nehmen wollen. Das bedeutet, dass es irgendwo einen Stein geben muss, hinter dem sich das Totenreich verbirgt. Andere wollen den Stein einzig als Symbol deuten.
Deutlicher wird die Problematik dieser Symbole anhand eines andern Beispiels: Izanami stirbt bei der Geburt des Feuergottes (ein Name: Hi no Yagihayawo (no kami)), weil sie sich „den Scham verbrennt“. Izanami ist so wütend darüber, dass er den Feuergott in Stücke hackt. Nach einer Variante des Nihongi „spritzte das Blut davon und färbte Felsen, Bäume und Kräuter. Dies ist die Ursache, weshalb Kräuter Bäume und Kieselsteine von Natur aus Feuer enthalten.“
Auf den ersten Blick wirkt das ziemlich verstörend. Man kann dieses zerhacken aber als eine Art Verwandlung interpretieren. Der Feuergott an sich stellt das ungezähmte Feuer dar, das seine unbändige Zerstörungskraft demonstriert, indem es sogar Fähig ist die Urmutter zu töten. Der zerhackte Gott macht es möglich, dass man aus den Pflanzen und Steinen Feuer machen kann. Er ist das gezähmte Feuer. Demnach ist dieser Mythos also ein Symbol für die Errungenschaft der Herrschaft über das Feuer.

Allerdings beschäftigen sich nicht nur Religionswissenschaftler mit solchen Geschichten. Religionen sind Einflussreich. Das gilt für Politik und Gesellschaft genau wie für alle möglichen Medien. Manche Bücher handeln fast nur von religiösen Themen (z.B. die so angesagten Christen-Papst-Verschwörungsromane von Dan Brown und Co), so mancher Film verweist schon im Titel auf Bibelstellen (z.B. „Sieben“, „Die purpurnen Flüsse“), viele Videospiele enthalten religiöse Symbolik (z.B. die Kirchen in „Dragon Quest“ oder die Fabelwesen der griechischen Antike in „God of War“). Natürlich können sich auch Anime und Manga nicht dem Einfluss der Religionen entziehen: „Neon Genesis Evangelion“ quillt vor jüdisch/christlicher Mythologie geradezu über und „Oh! My Goddess“ bedient sich viel und gern bei der germanischen Mythologie.
Wo findet man aber Symbole, Ideen oder sonstige Einflüsse aus dem Bereich der frühen Kultur Japans? Natürlich kann ich hier niemals jede derartig religiös inspirierte Stelle aus dem unüberschaubaren Pfuhl der Anime herauspicken, aber ich kann versuchen, einige prägnante Stellen aufzuzeigen:

Nehmen wir einen Klassiker von dem man mir gerne um die Ohren hauen darf, dass er eigentlich ursprünglich ein Manga sei, aber sei’s drum: „Dragonball“. Der Quitteturm stellt in Verbindung mit Son-Gokus Stock die Verbindung zum Palast Gottes dar. Dies ist eine Vorstellung, die man ruhig auf die japanische Mythologie beziehen kann. Auch dort gibt es eine Verbindung zwischen der Erde und dem Himmel: dem hehren Himmelspfeiler. Amaterasu wird nach ihrer Geburt in den Himmel geschickt und zwar „vermittels des Hehren Himmelspfeilers“.

Allerdings lassen sich auch ganz andere Einflüsse finden, nämlich künstlerische. Nehmen wir ein Beispiel aus dem schönen Reich der Videospiele und bleiben noch ein bisschen in der Nähe von Akira Toriyama, d.h. bei Dragon Quest, wo wir folgenden Gegner finden:

Dieses Monster sieht folgender Tonfigur, die wohl der frühen japanischen Kultur zuzuordnen ist, ziemlich ähnlich:

Auch beim Symbol für das in Japan bereits erschienene Dragon Quest IX…

…können wir einen Vergleich zu einer Tonplatte aus der frühen Han-Zeit (206 v.Chr. – 6 n.Chr.) anstellen:

Die offensichtlichste Art der Inspiration durch Religion ist natürlich die Nachahmung oder Nacherzählung bestimmter Mythen. Ein besonders gutes Beispiel möchte ich wieder mit einem Videospiel geben (ihr merkt da kenn ich mich besser aus als beim Anime): Okami. Dieses Spiel verwendet nicht nur fast alle relevanten Namen der japanischen Mythologie (z.B. Amaterasu und Susano => Susa no Wo), sondern erzählt die Schlüsselstellen ganz neu, rückt sie in ein anderes Licht und verulkt sie teilweise.
Auch wenn man also sehr wohl die Religion der japanischen Mythologie in so manchem Anime und sonstigem japanischen Medium finden kann, ist sie heute größten Teils einem neuen Alltag gewichen, der stark von Shintō, Buddhismus und Christentum beeinflusst ist, weswegen man glaube ich davon ausgehen kann, mehr Aspekte dieser Religionen im Anime zu finden, als Aspekte aus der frühen Kultur Japans.

Deshalb möchte ich ab dem nächsten Blog einen großen Schritt in Richtung Gegenwart machen und die Entstehung des japanischen Buddhismus beleuchten.

PS: Euch fallen noch Geschichten oder Symbole aus japanischen Mythen ein, die ihr in einem Anime, Manga oder japanischen Videospiel wiedergefunden habt? Postet es https://www.anisearch.de/forum/viewtopic.php?p=154496#154496.

PPS: Ich hatte letztes Mal angekündigt, die wichtigsten Mythen zu erläutern. Das werde ich nicht tun. Ich kann nicht abwägen was wichtig ist und eine bloße Nacherzählung zerstört die guten Übersetzungen, an die ich mich halten würde. Wer mehr spezielle Mythen will, der kann in dem Buch von Naumann (siehe unten) nachlesen.

Quellen: Auch dieser Blogeintrag folgt bei der Zitierung der Mythen, der Schreibweise der Namen, die Scans von der Tafel und der Tonfigur und dem Theoretischen Ansatz der Mythenanalyse:
Naumann, Nelly: Die Mythen des alten Japan. München: Beck, 1996.
Die Hasengeschichte ist frei nacherzählt nach:
Müller, Friedrich Max: Einleitung in die vergleichende Religionswissenschaft. Strassburg: Trübner, 1876.
Das Bild von dem Dragon Quest Gegner im Kampf habe ich von:
http://dragonquest4walkthrough.blogspot.com/2008/09/draftmonstersname.html
Das Bild von dem pixeligen Dragon Quest Gegner ist von:
http://www.dragonquest.at/?page_id=1887
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Comments (5)

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Avatar: Adad-Nirari#1
Das Monster sieht aus wie Chakumon von Digimon 02 ^^
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Avatar: akiko127#2
wie immer sehr interessant!
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Avatar: Briareos#3
Weltklasse
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Avatar: BOG#4
Sehr schön. Ich hätte aber ein paar Dinge zu ergänzen, der Vollständigkeit wegen:

Der Fluch, den Izanami am Yomotsu Hirasaka (dem Tor zur Unterwelt) ausspricht, heißt Kotodo.
Den Feuergott kenne ich als Kagutsuchi. Keine Ahnung, ob das die geläufigere Bezeichnung ist oder aus einer anderen Quelle stammt. Meines Wissens wird aus seinem Blut der Blitzgott Take-Mikazuchi geboren. Ich finde die Vorstellung, das Steine Feuer enthalten, auch etwas merkwürdig. Natürlich macht es Sinn, weil man sie ja zum Anzünden benutzt.

Die Tonfigur aus Dragon Quest wir auch Arahabaki genannt. Nicht zu verwechseln mit Haniwa, ebenfalls eine Tonfigur, aber um einiges schlichter gestaltet.

Das wars. Das ist keineswegs als Kritik an deinem Blog gedacht, ich finde nur, man sollte manche Begriffe mal gehört oder gelesen haben. Außerdem würde es mich interessieren, warum ich manche Mythen etwas anders im Kopf habe.
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Avatar: heliosThread Creator#5
Den Feuergott kenne ich als Kagutsuchi. Keine Ahnung, ob das die geläufigere Bezeichnung ist oder aus einer anderen Quelle stammt.
Die meisten Götter haben drei oder noch mehr Namen, ich habe mir nur einen als Beispiel ausgesucht.

Meines Wissens wird aus seinem Blut der Blitzgott Take-Mikazuchi geboren
Jo! Aus dem Blut werden ziemlich viele Götter geboren, welche genau müsste ich nachschlagen.
Außerdem würde es mich interessieren, warum ich manche Mythen etwas anders im Kopf habe.
Das habe ich im 2. Blog beantwortet. Die Berichte aus Nihongi und Kojiki weichen voneinander ab. Auch inner vom Kojiki bzw. Nihongi gibt es sehr viele verschiedene Versionen. Dass so alte Geschichten völlig eindeutig überliefert werden, kommt fast nie vor.
Das ist keineswegs als Kritik an deinem Blog gedacht, ich finde nur, man sollte manche Begriffe mal gehört oder gelesen haben.
Ich freu' mich natürkich immer, wenn meine Angaben ergänzt werden. Allerdings muss ich einfach irgendwo eine Grenze ziehen. So wie er jetzt ist, ist der Blog ja schon fast zu lang (finde ich)! Du musst zugeben, dass deine Ergänzungen schon ziemlich ins Detail gehen und darum geht es bei diesem Blog nicht.

Trotzdem vielen Dank !
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