Gerade bei Anime ohne Handlung
(und dieses verdruckste Hin und Her in Liebesdingen zähle ich jetzt mal nicht als "Handlung") ist nicht so sehr entscheidend,
was erzählt wird, sondern
wie.
Und in dieser Hinsicht gehört diese Serie zu den eher größeren Enttäuschungen der letzten Jahre. Das Konzept ist schnell erkennbar und durchaus reizvoll; - scheitert aber an der Umsetzung, und das auf mehreren Ebenen.
Im Mittelpunkt stehen fünf Oberschüler am ersten größeren Scheideweg des Lebens, was verbunden ist mit allerlei Unsicherheiten über den weiteren Lebensweg, samt der Unklarheit, ob man vielleicht verliebt ist, und falls ja, in wen.
Hier hat sich der Anime vorgenommen, eher
realistisch und emotional auf dem Boden zu bleiben, fern von den üblichen klischeebehafteten Darstellungen und den Standardsituationen nach Schema F. Und das gelingt ihm auch.
Allerdings übertreibt er es dann in eben dieser eingeschlagenen Richtung, und es bleibt alles recht steril und hölzern, was dann letztlich auch wieder zum Animationsstil passt: Fotorealistische Hintergründe beißen sich mit Figuren, die sich unangenehm staksig bewegen und deren Bewegungsmotorik beispielsweise nicht mit dem zurückgelegten Weg zusammenpasst. Und dergleichen mehr.
Was hier präsentiert wird, ist im wesentlichen eine Art Sozialstudie. Schulkinder, deren Kontakt zu anderen am seidenen Faden namens Smartphone hängt. Fast alle Protagonisten (mit einer Ausnahme) wären ohne Händi praktisch tot. (Und in sozialer Hinsicht sind sie das zeitweise auch.) Der Stil, wie Konversation abläuft, wird in der Art der Szenenschnitte reflektiert. Eine betont aufgesetzte Coolheit in Konversation, optischem Erscheinungsbild und Gehabe steht in gewisser Diskrepanz zum oft unbeholfenen Auftreten der Charaktere. Was in der Kommunikation via Chat augenfällig wird, scheint schon länger auf die analoge Welt übergegriffen zu haben: viel reden, ohne wirklich etwas mitzuteilen. (
Telefoniert wird mit dem Händi eher selten.)
Verdeutlicht wird diese Tendenz in intentionell unzusammenhängenden Szenenschnipseln, die oberflächlich und steril wirken. Und das spiegelt sich auch direkt in der BGM, die fragmentarisch und abgerissen wirkt, ohne Entwicklung größerer musikalische Einheiten.
Das fühlt sich dann an wie eine Studie über die
Unfähigkeit zu Kommunikation. Die erschöpft sich oft in kurzen, abgerissenen Sätzen. Die dann natürlich allfälligen Missverständnissen Tür und Tor öffnen.
Demzufolge dominieren auch nicht Entwicklungen größerer Handlungsbögen, sondern kurz zusammengeschnittene Momentaufnahmen.
Auch wenn der Anime ausgetretene Pfade verlassen will, in vielem wird auf die Schubladen bewährter Dramaturgieelemente zurückgegriffen. Neben besagten Eigenheiten der Kommunikation
("Mach's Maul auf und sag, was du meinst!" möchte man ihnen allzu oft zurufen) betrifft dies natürlich auch den Umgang miteinander wie auch die Darstellung emotional kniffliger Situationen. Auch in diesem Anime wird im Grunde keine Situation ausgelassen, um sich wie ein kompletter Idiot zu benehmen.
Aus der Reihe "was immer wieder nervt":
- Harutos mehrmaliger Versuch eines Liebesgeständnisses. Warum muss man sich dabei hinstellen, stramm stehen und seine Gefühle möglichst gefühllos in die Welt brüllen wie beim Militär?
- Alles muss symbolisch bzw. stellvertretend in einem Baseball-Match geklärt werden.
- Ständig sagt man etwas und sagt daraufhin, man habe nichts gesagt. Um den Gegner zu verwirren und sich keine Blöße zu geben, vermutlich. Steht das so in irgendeinem Ratgeber "Mein erstes Skript: Liebesdrama"?
- "Lächeln" funktioniert so, dass man die Augen zusammenkneift, gleichzeitig die Zähne zusammenbeißt und dabei die Lefzen hochzieht. Präzise eine Sekunde nach dem letzten gesprochenen Wort und quasi auf Knopfdruck.
- Und wieder ein Protagonistenpärchen mit der überaus sympathischen, über der Nasenwurzel gekreuzten Stirnsträhne.
Und apropos Protagonistenpärchen:
wer zu wem finden wird, ist relativ früh absehbar. Und wer gewissermaßen auf der Strecke bleiben wird, leider auch
(nämlich die "
normalste" Person, die auffällig darum bemüht ist, ihre Schwächen und Unsicherheiten durch betont munteres, aber oberflächliches Auftreten zu überspielen).
Die letzten drei Folgen reißen die Chose noch einigermaßen raus. Was zuallererst daran liegt, dass sich die Fronten klären, die Beziehungsnebel lichten und die Frage, was nach der Schule kommt, etwas klarer vor Augen liegt. Die schönste Szene samt der größten Überraschung bietet dabei der Schluss des Anime, in der sich zwei Verliebte gegenüberstehen und nicht aufhören können, sich in die Augen zu schauen.
Aber bis zu diesem Schluss hin hat man als Zuschauer arg zu kämpfen. Übrigens verrät auch das
Anime-Cover recht viel über die grundsätzliche Konstellation im hier stattfindenden Liebes-Pentagon (Fünfeck); - allerdings kann man es gerne auch deuten als verschlüsselte Botschaft im Sinne von
"wenn ihr's nicht bald auf die Reihe kriegt, ist der Zug abgefahren!"Kurz: dieses endlose Liebes-Hin-und-Her der ersten ca. acht Folgen vereint die Schwächen von "
Kimi no iru Machi" mit denen von "
Nagi no Asukara" und nähert sich in der Art der dramaturgischen Umsetzung der Welt von "
Hitsuji no Uta".
Böswillig formuliert: weniger ein Liebesdrama denn ein hoffnungslos verdruckstes unterkühltes Pubertätsdramasurrogat, immerhin mit lichtem Ende.