Petran Dschungelbuch Folge 27:
Der Wolf schreit auf Deutsch an die Affen: Jetzt reichts aber!
Auf Japanisch dennoch: Ich werde euch töten!
Änderungen und Einfügungen dieser Art gibt es bei Kinderserien sehr viele. (Also das, was die deutschen Publisher für Kinderserien halten.) Meistens, um Gewaltdarstellungen (auch sprachlicher Art) die Schärfe zu nehmen. Oder bestimmte Idealvorstellungen zu betonen. Wie hier bei Heidi auf
Reddit (anlässlich des Todes von Isao Takahata):
Haiji auf Deutsch und Japanisch (von User "Radiodevt" auf Reddit)
Sorry, ist schon ein paar Jahre her und ich war zu faul, die Arbeit auf dem PC zu suchen. Der entsprechende Abschnitt der Arbeit ('Haiji' bezieht sich immer auf das japanische Original, 'Heidi' auf die deutsche Synchro):
Die deutsche Übersetzung von Haiji unterscheidet sich merklich vom japanischen Original und ist allgemein wortreicher und detallierter; ebenso werden teils Bezüge auf den Roman genommen sowie neue Handlungsstränge eingebaut, welche im Japanischen nicht vorhanden sind. Hierdurch wird auch das vorhandene Heimatbild zuweilen anders konnotiert, wenn gleich das Gros der Veränderungen hierauf keinen Einfluß nimmt.
Direkt zu Beginn der ersten Folge ist zu bemerken, dass die Exposition der deutschen Fassung viel ausschweifender ist; sowohl von Seiten der Figuren als auch der des Erzählers, welcher liberaler genutzt wird als im Original. Die Lippensynchronität wird praktisch komplett ignoriert (dies war allerdings zu dieser Zeit nichts besonderes bei Zeichentrickfilmen), so dass es auch mal vorkommt, dass ganze Sätze von Figuren mit geschlossenem Mund gesprochen werden.
Prägnant in dieser ersten Folge ist die Art, mit welcher die Figuren erklärt werden. Während die verschiedenen Dorfbewohner sich in beiden Versionen bei Dete dafür einsetzen, Heidi nicht beim Alm-Öhi zu lassen, tun sie dies doch mit unterschiedlichen Bezügen. Im Deutschen wird mehr aus Heidis Perspektive argumentiert („Das kannst du dem Mädchen doch nicht antun!“, „Versetz dich doch mal in Heidi“ etc.) während das Original sich eher auf den Großvater bezieht und diesen dämonisiert („Ich hab gehört, er hat jemanden getötet“, „Also ich hätte Angst, mit dem allein zu sein!“, „Sein Gesicht macht mir Angst!“ etc.).
Gleichzeitig werden die wenigen Dinge, die im Deutschen über den Großvater gesagt werden, stark überzeichnet und hier findet auch ein Bezug auf Heimat statt, welcher der deutschen Version zueigen ist. Der offensichtlichste Unterschied ist wiederum in der ersten Folge, als ein Dorfbewohner anmerkt, dass er „nichtmal sonntags in die Kirche kommt“; dieser Hinweis findet sich zwar in Spyris Roman, nicht aber in der japanischen Animefassung, da sie im nicht-christlichen Japan keinen Sinn ergeben würde. Hier muss also in der Rückübersetzung der Roman zumindest bekannt gewesen sein, da sich keinerlei Hinweise auf eine ähnliche Zeile im Original finden; gleichzeitig ist das Fernbleiben von der Messe ein Affront gegen die Dorfgemeinschaft und stellt somit ein weiteres Zeichen der „Fremde“ des Alm-Öhi dar. Der Kirchturm als visuelles Symbol von Heimat hingegen ist auch in Haijis Dörfli noch vorhanden.
Dem Öhi werden in der Synchronisation weitere Aussagen in den Mund gelegt, die er so im Japanischen nicht tätigt und welche für unsere Zwecke interessant sind. An einer relativ irrelevanten Stelle, Heidi hat sich gerade ein Bett aus Stroh gebaut und ruft ihn auf den Heuboden, lobt er sie im Japanischen nur (in etwa: „Gute Arbeit!“), während Heidi sich im Deutschen darüber beschwert, dass er solange braucht, um die Leiter hochzuklettern, worauf er entgegnet „daran musst du dich gewöhnen, hier oben haben wir Zeit!“ In dieser Zeile findet sich ein typisches Heimatklischee wieder, das der ruhigen Alm, auf welcher man eher gemächlich zur Tat schreitet. Hier soll Heidi, bis dato ein „Stadtkind“, an diese Umstände gewöhnt werden. Dazu passt auch eine weitere Aussage des Alm-Öhi, welche im Japanischen ebenfalls kein Äquivalent hat: er vertreibt Dete mit den Worten „wage es nie wieder, meinen Frieden auf der Alm zu stören“ (im Original in etwa „zeige hier nie wieder dein Gesicht“), wodurch erneut das Bild der idyllischen Heimat beschworen wird.
Ein weiterer prägnanter Unterschied in der Beschreibung des Großvaters findet sich am Ende von Folge zwei, als Heidi ihm von ihrem Tag erzählt; während der japanische Erzähler erklärt, der Öhi wäre ob der Freude Heidis „glücklicher, als er jemals war“, nimmt der deutsche wieder Bezug auf den Ausschluß aus dem Dorf und so wundert sich der Öhi seiner Aussage nach „warum unten im Dorf alle vor ihm Angst hatten. Vielleicht nur, weil er anders war als die anderen.“ Erneut bringt die Übersetzung eine Negativität ins Spiel, welche im Original nicht vorhanden ist und erneut finden wir einen direkten Bezug auf die Heimat. Offenbar fühlt sich die Dorfgemeinschaft vom Großvater bedroht „weil er anders war“ und hat ihn deshalb verstoßen; über die Bedrohung als Katalysator des Heimatgedankens wurde bereits in Kapitel 2 geschrieben.
Auf der anderen Seite gibt es auch im Original klare Verweise auf das Dorf und die Menschen, die dort leben, allerdings sind diese ungleich negativer konnotiert und werden (vielleicht genau aus diesem Grund) in der deutschen Synchronisation abgemildert. Als Beispiel soll hier das Ende der dritten Folge angeführt werden. Während Heidi von ihrem Tag erzählt, beginnt der Alm-Öhi tagzuträumen und das Bild wechselt zu einem Adler, welcher über dem Dorf schwebt. Während hier im Deutschen Heidi spricht und dem Großvater versichert, dass sie eines Tages „so sein will, wie du Opa!“ wird ihre Stimme im Original ausgeblendet und der Erzähler übernimmt. Zum Bild des kreisenden Adlers beschreibt er diesen, wie er „sich hoch in der Luft über die Leute unten im Dorf lustig macht, wie sie zusammenhängen und tratschen und sich gegenseitig zu bösen Taten anspornen.“ Diese Stelle wurde ersatzlos gestrichen; es scheint, als sei sie den Übersetzern bei aller Antagonie zwischen Alm-Öhi und Dorfbewohnern zu drastisch formuliert gewesen, oder sie erschien ihnen schlicht ungeeignet für eine Kinderserie.
Es ist schwierig, in der Übersetzung eine klare Linie zu finden, sowohl im Bezug auf Quellentreue als auch ideologisch. Zwar wird das Beispiel des Kirchbesuchs wieder eingeführt und auch sonst einige Aspekte des typischen dörflichen (und heimatlichen) Lebens betont, allerdings wird dafür an anderer Stelle Dialog, welcher sich in diese Richtung interpretieren ließe, übergangen oder ersetzt. Der stärkere Bezug auf Heidi ist im Deutschen allerdings eindeutig, so wird unter anderem auch über ihre Erziehung diskutiert (in der ersten Folge wird Heidi als „entsetzliches Kind, völlig unerzogen“ bezeichnet, was im Original nicht vorkommt) und hier lassen sich in Spuren deutsche Erziehungsideale der Zeit erkennen. Ebenso werden immer wieder kleine Handlungen in die Übersetzung eingesponnen, welche im weder in Haiji noch in Heidi vorkamen und sich nur lose nach den gegebenen Bildern richten, so dass insgesamt der Schluß folgen muss, dass die Übersetzung, so variantenreich sie auch sein mag, keiner stringenten Absicht folgt. Es ist leider nicht bekannt, ob ein einzelner Übersetzer oder eine Gruppe an Haiji gearbeitet hat und welches Quellenmaterial sie zur Verfügung hatten; es wäre durchaus denkbar, dass mehrere Autoren hier mit unterschiedlichem Hintergrundwissen und Bezügen auf das Original gearbeitet haben.
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